Wie schon vor dem Erwachen des Tages ruft der Imam von einer nahen Moschee zum Gebet: Allah Akhbar, Allah Akhbar . . . Langgezogen, mit sicherer Stimme und immer wieder schöner, friedlicher Tonalität, und rundum, das Echo weiterer Rufer in der Wüste. Wenn immer ich diese Stimmen von nah und fern auf mich wirken lasse, liegt Gelassenheit, Einfachheit, Zusammengehörigkeit und Gemeinsamkeit spürbar in der Luft. Ich kann mich diesem so eigenartigen, einzigartigen Sog nicht entziehen und fühle mich mit meinen Schwingungen damit verbunden. Wenn auch nur für kurz legt sich Einigkeit über die Weiten, über die Oasen und verdeckt fünf Mal am Tage die Misere, den Dreck und das für unsere Begriffe ungerechte Leben. Nur der Glaube hält dieses Mosaik zusammen. Sollte er einmal weg sein, wie bei uns, wird diese Gesellschaft erodieren und in sich zusammenfallen wie alles in der Wüste. Dieser mystische Zusammenhalt ist wohl die grösste, stärkste Leistung von Mohammed für all seine Gläubigen.

Die Rufe sind verstummt – möge diese Kraft, diese Spiritualität erhalten bleiben um diesen Menschen ein Gesicht zu geben und zu erhalten: ein Gesicht der Würde trotz aller Armut und Ungerechtigkeit.

Der Wind hat das Zepter wieder übernommen, fegt durch die lausigen Gassen, treibt den Sand und Staub vor sich hin wie schon zu Zeiten Mohammeds. Fellachen ziehen mit ihren Eselswagen über die Runsen der Strassen, mit leerem Blick, stoisch und geduldsam wie eh. Der Wind spielt mit ihnen, umfegt sie, umhüllt sie mit Staub und Sand und sie bewegen sich weiter, ohne Regung, vereint mit der diktierenden Natur und den Gesetzen Mohammeds – ein unaufhörlicher Kreislauf, ein Rad das sich dreht. Es gibt kein Ausweichen für die meisten Schichten hier. Zufriedenheit mit Wenigem ? So lange diese Menschen ihr Rad selber bewegen und erhalten, ohne Einfluss von Aussen, wird auch ein würdiges und zusammenhaltendes Leben möglich sein, trotz Natur, trotz dem Wind mit all seinen tückischen Wirbeln . . .