WOLKEN WIE SCHWAERME VON VOEGELN (9. Februar 2007)

„Leichte, rosa gefärbte Schleierwolken ziehen über mir gegen Westen. Leicht ziehen sie dahin, ohne Lasten, geprägt von einem dunklen Violett mit einem graulichen Unterton. Sie ziehen viel leichter, wie Schwärme von Vögeln, nicht gedrückt durch Lasten wie wir sie die letzten drei Tage getragen haben. Auch ihr Weg ist westlich-südwestlich, dem nahen Libyen entgegen, so wie der unsrige während des ersten Aufstiegtages. Stille liegt über dem Camp, noch vernehme ich kein Vogelgezwitscher noch das Säuseln der lästigen Fliegen. Es ist so still, man meint sein eigenes Blut rauschen zu hören. Auch der tastende Wind ist nur ein leises Lüftchen – auch für ihn ein Feiertag, ein Ruhetag. Das grosse Zelt ist mit Reisverschlüssen zugeriegelt, verschlossen wie eine Kasette, darin zwei müde Männer, müde von den strengen, so fordernden Auf- und Abstiegstagen. Einzig der mich hin und wieder streifende Benzingeschmack der zwei alten Toyotas wie auch des unter den Felsen gelagerten Benzindepots lenkt meine Gedanken weg zur Zivilisation. Noch ruht die Feuerstelle, sie wartet auf Hassan, den Unermüdlichen, den Mann mit ungeahnten Energien und grossem Willen. In einem Jahr wird auch er Lesen und Schreiben können – was für ein Ziel für einen Mann mit zweiunddreissig Jahren!

Die Wolken haben gewechselt ins Weiss und noch immer ziehen sie nach Westen. Auch meine Gedanken werden heute noch oft nach Westen ziehen, zur Gipfelregion des Uweinats welche uns viel Glück und grosse Genugtuung gebracht hat: die vielen entdeckten Felsmalereien, allen voran der hoch in den Felsnischen gelegene Robin’s Cave, die gewagte aber gelungene Besteigung des Uweinat-Gipfels mit den wiedergefundenen Steinmännchen von Ralph A. Bagnold, sowie dem geglückten Abstieg zum Biwak und zum nicht einfach zu findenden Ausgangspunkt, dem Karkut Talh. 75 Jahre noch Bagnold’s Erstbesteigung und gut vierzig Jahre seit meiner ersten Vision zum Besuch des Uweinats ist uns eine Begehung geglückt welche mich zeitlebens begleiten wird . . . “

AM FUSSE DES UWEINATS (14. Februar 2007)

„Langsam nur füllt sich die grosse Senke mit Schatten. Nur noch die Hügelzüge leuchten im warmen rötlichen Licht. Die Akazienbäume stehen stolz gegen den hellblauen, ins Gelblich neigenden Himmel. Die friedliche Stimmung wird noch verstärkt durch den Gesang von Kahled, ein wehmütiger, schwerer Gesang. Die Hügel legen noch einmal zu an Wärme, konturiert durch ihre eigenen Schatten. Wie oft in der Wüste meldet sich im Sog des Sonnenuntergangs ein leiser Wind zurück. Er wird sich wohl bald wieder legen, spätestens bei Einbruch der Dunkelheit. Langsam, umbemerkt fast, verlöscht auch der letzte Rest des rosa Lichts, Grautöne treten auf die Bühne. Bald werden sie von Nuancen von Schwarz abgelöst werden. Ungesättigt schweift mein Blick in die Ferne, zuerst gegen Osten, der mystischsten Himmelsrichtung, dann gegen Süden wohin uns der Weg morgen führen wird. Wieder geht mir das für mich so bedeutende Wort durch den Kopf: „Wo Strassen sind, verliert sich mein Weg“. Hier sind keine Strassen, nein, hier ist mein Weg . . . Langsam färbt sich der Himmel in ein leichtes, fast unmerkliches Rosa. Noch immer singt Khaled seinen so hirtenhaften Gesang. Neben ihm lodert das Feuer – noch lodert hier am Fusse des Uweinats das Feuer des einfachen Lebens . . . “

DIE WEITEN HORIZONTE (24. November 2006)

„Im so eigenen Rythmus unserer drei Kamelen durchqueren wir das Sandmeer der ägyptischen Western Desert. Noch hängen meine Gedanken beim ersten, zarten Morgenlicht, beim kalten Wind, beim Erscheinen der ersten Sonnenstrahlen, beim Aufkommen der geliebten Schatten, beim Surrealismus der einzelnen Bilder. Der Rythmus wiegt mich ein: ich bin Teil einer kleinen Karawane. Die Stunden gehen dahin, ich staune und ich berausche mich an diesem rythmischen Gang unserer Kamele. Seit Beginn unserer Mission führe ich Ashan welcher nach und nach zutraulicher geworden ist. An steilen Dünen gönnen wir unseren Kamelen eine kurze Verschaufpause, auch für uns eine willkommene Gelegenheit, die weiten Horizonte abzutasten und auch unsere eigenen Spuren im Sand zurückzuverfolgen. Wir fühlen uns eingebettet – wir sind Bestandteil der westlichen Wüste geworden . . . „